Nizza 2016
Die nicht so ganz ernst gemeinte Beschreibung einer Erholsamen Reise an Bord eines Luxusliners.
Genießen sie heute die Ruhe und Erholung eines Seetages. Probieren sie die Leckereien eines unserer 20 Luxusrestaurants an Bord oder relaxen sie im SPA und lassen ein wenig Dampf ab. Die Devise für Heute lautet „Freestile Cruising“ …usw. so klang es kurz nach Mitternacht in vielen Sprachen aus dem Bordlautsprecher.
Nach den doch recht anstrengenden Landausflügen kam diese Einladung gerade recht um heute mal die Seele baumeln zu lassen. Und als dann noch der Sonnenaufgang für 6:30 Uhr angekündigt wurde stand mein Entschluss fest. Ich werde Heute den Tag gebührend einleiten und den Sonnenaufgang auf dem Sonnendeck ( dafür ist es ja auch da) begrüßen. Der Fahrstuhl bringt mich auf Deck 17 und öffnet sich, jedoch statt des erwarteten Sonnenaufganges über dem Ozean erwartet mich mein persönliches „Morgengrauen“. Ein grässlich gut gelaunter Animateur, umringt von einer wild gewordenen Schar „Zumba“ Zombies betanzt verzückt den beginnenden Tag. Leicht verstört schlich ich mich an den schwitzenden Leibern vorbei auf der Suche nach einem ruhigen meditativen Plätzchen. Vielleicht da hinter dem großen Schornstein? Ich spüre Erleichterung und gleichzeitig auch eine hand auf meiner Schulter, drehe mich um und es begrüßt mich ein zugegeben makelloses Gebiss vom Typ „go smile“ ( es gibt an Bord wirklich einen Vortrag über „go smile Zahnaufhellung“) mit „Hello my Friend“ und lädt mich zu einer Klettertour an der Kletterwand des Schornsteines ein.
Dankend lehne ich ab und erkläre „Hello my Friend“, dass ich gewöhnlich nicht morgends um 6:30 Uhr Schiffsschornsteine erklettere und außerdem habe ich ja einen Termin mit Dr. Karen G. Zum Vortrag : wie bekomme ich einen flachen Bauch“
Das war natürlich gelogen aber so verschaffe ich mir so einen kleinen Zeitvorsprung um Hello my Friend in Richtung Fahrstuhl zu entfliehen. Eile daraufhin etwas kurzatmig vorbei an Tischtennisplatten an denen Spieler versuchen Tischtennisbälle auf die Platten zu schlagen. Das gelingt nur schwerlich. Die Tischtennistische stehen auf der Windseite des Schiffes und jeder 2.Ball entfleucht in Richtung Ozean. An sich ist das nicht schlimm, da an jedem Tisch ein riesiger Beutel mit Tischtennisbällen hängt. Allerdings erschließt sich mir nicht der tiefere Sinn, diese Bälle ins „Nichts“ zu schlagen.Vielleicht freuen sich irgendwann mal Schildkrötenschützer über angeschwemmte Schildkröteneiern ähnliche Tischbälle. Na denn, viel Spass beim ausbrüten. Inzwischen bin ich auch fast vor dem Lift angelangt, werde aber noch kurz davor nieder gerempelt. Ein Teilnehmer aus der Nationalelf „Völkerball für die ganze Familie“ war durch einem Fehlgeleiteten Minigolfball der seit 5:00 Uhr trainierenden Australier getroffen, aus dem Spielfeld gerutscht ,auf mich geprallt.
Macht ja nichts, der Fahrstuhl ist offen, endlich gerettet. Erleichtert drücke ich den Knopf zum Atrium. Dort wird es bestimmt etwas beschaulicher zugehen. Die Tür öffnet sich und ich finde mich inmitten einer flatternden Schar „Handtuchfalter“. Genauer gesagt „ Frotteehandtuchfalter“ wieder. Eine international besetzte Gruppe faltet, gestaltet und formt Enten oder Schwäne, Pinguine und Katzen aus Handtüchern. Einige stehen bereits kurz vor dem Masterabschluss. Kann man vielleicht mal gebrauchen und man hat was eigenes. Die Erweiterungsmodule: Eisskulpturenschnitzen und nicht zu vergessen die Krönung, das Obstschnitzen mit Chefdesigner Wyan warten bereits auf die erfolgreichen Handtuchabsolventen. Ich schlendere ohne weitere Gedanken durch die anschließende Gemäldegalerie mit ihrer täglich wechselnden Ausstellung und werfe noch einen Blick in die Auktion für Rohdiamanten.Im Atrium angelangt bemerke ich, dass der Saal bereit belegt ist. Zwei Tänzer, ausnahmslos gut gebaute, durchtrainierte und schöne Menschen aus der Broadway Showtanztruppe „ Burn the Floor“ einer weltbekannten Truppe die eigens für die Bordshows aus New York angereist war, hatte sich bereit erklärt, Tanzinteressierten Kreuzfahrern Argentinischen Tango zu unterrichten. Tango ist für mich der Inbegriff des Tanzes überhaupt. Dennoch, und ich hoffe, dass ich diese Bilder ohne therapeutische Hilfe wieder los werde. Argentinische Tangolehrlinge in Bermudashorts und Flip Flopsdas sieht einfach „sch…“ aus. Eine eingehendere Schilderung würde wohl ein Klageverfahren nach sich ziehen. Also lass ich´s.
Mein Magen meldet sich und ich beschließe eines der 20 Bordrestaurants aufzusuchen, vielleicht zum Italiener auf einen Espresso.
„ Washi washi, happy happy“ begrüßt mich am Eingang meine immer lächelnde Lotusblüte und desinfiziert mir mit ihrer Desinfektionsspraydose die Hände. Meinen Espresso schlürfend überlege ich, was ich mit dem restlichen Freestile Relaxing Day anfange.
Soll ich mich zum „Bohnensäckchen werfen“ anmelden, obwohl, die diesjährigen Favoriten die Israelis wurden gestern von einer aus Palästina stammenden Familie auf den zweiten Platz verwiesen, was dann im weiteren Verlauf des Tages zu politischen Verwicklungen führte. Auch die Japanische UN Vermittlergruppe war nicht so ganz bei der Sache. Sie hatten selbst genug damit zu tun, einige ihre seit gestern Abend depressiven Landsleute vom angekündigten Harakiri Ritual abzuhalten. Grund war ihr gestriges schlechtes Abschneiden beim „ Karaoke der Nationen“. Man sollte sich auch nicht unbedingt einen Tom Waits Titel zum Gesangsvorbild wählen.
Ich entscheide mich für die Fortführung der Vortragsreihe von Dr. Karen G. Und lasse mich von der Überschrift : „In einer Stunde 10 Jahre jünger“ verführen. Vor drei Tagen hatte ich bereits bei Dr. Karen, der netten Botox Dealerin eine Vorlesung zum Thema:“ Essen Sie mehr um weniger zu wiegen“ gehört und arbeite seit dieser Zeit fleißig an der Umsetzung. Zugegeben, bei ca. 200 Meter und immerhin 24 Stunden geöffnetem Buffet nicht so schwierig. Dennoch wundere ich mich, dass sich der Erfolg noch nicht so recht einstellen will. Ja, und nach dem Vortrag werfe ich mich vielleicht in meine Plateauschuhe und rocke etwas die ABBA Revival Party. Oder entspanne mich etwas beschaulicher beim Klavierduell. Zwei Klavierspieler wetteifern jeden Abend um die Gunst der Zuschauer, lassen sich Musiktitel zurufen und spielen sie aus den Stehgreif. Ob ich sie heute mal mit irgendwelchen Fantasietiteln aus der Reserve locken kann? Na, ja, die Entscheidung für den heutigen Abend kann ja noch warten. Vom „Nachdenken „ ein wenig hungrig geworden bewege ich mich in Richtung 200 Meter Buffet, vorbei an „washi washi happy happy“.
Nachtrag:
In der Tat ziehe ich wirklich den Hut vor dem unermüdlichen Einsatz der 1700 Mitarbeiter an Bord des Luxuskreuzfahrtschiffes, die immer freundlich lächelnd dabei sind 4000 Passagiere zu Unterhalten und zu betreuen.
Dankeschön!