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In „ Schlangenlinien“ durch Äthiopien

von Mursi Tellerlippenfrauen und verhexten Mingi Kindern

Erihrea, Äthiopien, Süd Sudan, Somalia 2019

….wenn ich mit der Schule fertig bin, erzählt uns der 11 jährige Abyou werde ich auch Fahrer und zeige den ferengis (Fremden) unser Land. Dabei schleicht er mit staunenden Kinderaugen ständig um unser Fahrzeug herum. Nach längerem Aufenthalt am Blauen Nil im Norden Äthiopiens und inzwischen über 2000 staubigen Strassen Kilometern sind wir im Süden Äthiopiens in einem kleinen Marktflecken nahe Jinka gelandet. Abyou, unser selbsternannter Marktführer hat im Moment viel Zeit für uns. Sein Vater, erzählt er, sei stinksauer auf ihn und hat ihn kurzerhand von seinem bisherigen Job entbunden. Vor 2 Tagen sollte er auf die Ziegenherde der Familie aufpassen. Jedoch das herumtoben mit seinen Kumpels hat hat mehr Spass gemacht und ihn unaufmerksam werden lassen. Das haben 2 Hyänen genutzt und sich in dieser Zeit eine Ziege weggeholt. „Dumm gelaufen“,hätte ich ein Gewehr gehabt, wäre das nicht passiert. Soviel zu seiner Entschuldigung. Mit Gewehr meint er das überall auffällige „ Kalaschnikow AK 47 “ Sturmgewehr. Für ca.40 Euro bekommt man es auf dem Markt und wie man überall sieht, so scheint vielen jungen Männern bereits der Weihnachtsmann den Wunsch erfüllt zu haben. Um die Viehherden zu beschützen, so die Begründung der Waffenfreaks.

Der Markt, ein buntes Durcheinander verschiedener Völker. Farbig gekleidete und geschmückte Marktfrauen verschiedener Stämme bieten lautstark ihre Waren an. Vom gebrauchten Plastikeimer bis zu bunten selbstgewebteb Stoffen und Gemüse. Von Hühnern, Bananenstauden bis zu dürren Ziegen ist alles was Herz und Magen begehrt zu finden. Ach, ja und natürlich Waffen.

Irieee… aus einem Plastikfolienzelt begrüßt uns ein langgezogener Ruf. Wir gehen dem Geruch einer wohlbekannten Droge nach,und treffen 2 mit wilden Dreadlocks geschmückte jungen Männern an. Zwei Bewohner der örtlichen Rastafari Gemeinde bieten hier ihre vegetarischen Erzeugnisse feil.Und Marihuana scheint ja ebenfalls „vegetarisch“ zu sein.

Ein überaus herzlichen Love and Peace und die Beschwörung des Weltfriedens begrüßt uns. Und schon kurz danach müssen wir unbedingt ihr „holy water“,einen ebenfalls vegetarischen Obstbrand probieren, der es allerdings in sich hat. Unzählige „holy water“ später gelingt uns die „Flucht“ begleitet von vielen lieben und ernstgemeinten Grüssen, die wir Frau Angela Merkel überbringen sollen.

Die Rastafari, man denkt dabei zuerst an Jamaika und Bob Marley. Dabei ist die Rastafaribewegung untrennbar mit Äthiopien verbunden. Kaiser Haile Selassie von Äthiopien mit bürgerlichem Namen Ras (Gouvaneurstitel) Täfäri Mäkonnen war unbewusst der Namensgeber der Bewegung. Er hat später sogar ein Siedlungsgebiet zur Verfügung gestellt, welches Rastafaria aus aller Welt anzog. Inzwischen führen sie allerdings ein zwar relaxtes aber wenig zukunftsträchtiges Dasein in Äthiopien.

Uns drängt es weiter zum Unterlauf des Omo Flusses.

Im Omo Gebiet, begrenzt durch Kenia, Süd Sudan und Somalia leben über 60 ethnischen Völker, teils noch wie seit 3000 Jahren, auch wenn bei den jüngeren bereits das eine oder andere Smartphone zu sehen ist. Die Wege zu diesen Völkern führen durch Steppengebiete und durch 2-3000 Meter hohe unzugängliche Gebirgslandschaften vorbei an Akazienbäumen mit den Nestern der Webervögel, an Baobab und Eukalyptusbäumen, Araukariengewächsen und Zwergbananen und Bambuswäldern, vorbei an Marabus und Antilopen. In den größeren Flußabschnitten sonnen sich Krokodile und Hippos. Von einem befahren der Wege kann man jedoch nicht sprechen, das wäre zu einfach. Man fährt nicht durch das Gebiet. Man schlängelt sich durch, wie auf allen Strassen in ganz Äthiopien. Alle paar hundert Meter ist man gezwungen, großen, manchmal metertiefen Schlaglöchern, unberechenbaren Rinderherden, ungeduldig herumlaufenden Ziegenherden, Eseln, voll beladenen Eselskarren, Menschen mit 20 liter Wasserkanistern und Brennholz auf dem Rücken, mitten auf der Strasse tanzenden, bemalten Kinden, Kamelherden und Gruppen jugendlicher Kalaschnikowträger auszuweichen. Dfarüber hinaus ist die Sicht durch den alles überdeckenden roten Staub beeinträchtigt. In der Regenzeit entwickelt sich dieses Gemisch zu einem rötlichen Schlammteppich, den die Einheimischen „ Rote Baumwolle“ nennen.

Eine Fahrt durch das Omogebiet ist eine Reise in die Frühzeit der Menschheit. Äthiopien erscheint als ein einziges großes Völkerkundemuseum

Wir passieren die Terrassenförmig angelegten Felder der sesshaften Konsobauern. Reisen weiter zu den Dorze, einem kunsthandwerklich geschickten Volk, das aus der Schale der unechten Banane ein herrlich schmeckendes Fladenbrod genannt Ocho herstellt. Ihre Häuser aus geflochtenen Bambusmatten und Schilfgras sind in der Form von Affenköpfen gebaut und so stabil, dass sie über 100 jahre alt werden. Später beim Volk der Benna empfangen uns freundliche Frauen mit Kalebassen selbst gebrauten Kaffees. Wunderhübsche Frauen tragen die Haare im Pagenschnitt bestehend aus lauter dünnen Zöpfen, die mit roter Erde und Fett eingerieben sind. Als Schmuck sind breite Ketten und Gürtel aus Kaurimuscheln begehrt. Noch schwieriger zu erreichen sind die Ansiedelungen der Mursi. Irgendwann tauchen jedoch die ersten Grasdörfer auf. Die Mursi,ein Volk, einstmals über 80000 nun noch knapp 4000 fallen durch eine Besonderheit auf. Viele Mursifrauen tragen sog. Debegnas / Tonteller in den Lippen. Jungen Mädchen werden die Lippen durchstochen, die unteren Schneidezähne herausgebrochen und zum dehnen immer größere Teller zwischen die lippen gesteckt. Der Ursprung ist noch immer rätselhaft, jedoch hat sich das Tellertragen als Schönheitsideals erhalten. Ja mei„Wenns scheh mocht“ hätte meine Bayrische Großmutter gesagt. Manche Frauen tragen die Tonteller auch in den gedehnten Ohrläppchen. Andere zeigen uns dicke wülstige Ziernarben am Körper. Das muss unsäglich wehtun. Aber Schmerzen scheinen sie hier gewohnt zu sein. Die uns unverständlichen Bräuche treffen auch Unschuldige. Uneheliche Kinder, das betrifft auch Kinder von verheirateten Paaren,wenn vor dem ehelichen Sex beispielsweise keine Kaffeezeremonie stattgefunden hat und die Paare sich nicht vorher mit Lehm bemalt hatten. Die Kinder gelten als verflucht und werden in der Regel getötet, den Hyänen vorgeworfen oder im günstigen Fall ausgesetzt um dem Stamm nicht zu schaden. In Jinka gibt es mittlerweile auf Privatinitiative ein kleines Kinderheim, das sich um diese sog. Mingi Kinder kümmert.

So traurig die Einzelschicksale klingen, das Problem Äthiopiens und Afrikas ist nicht die Klimaveränderung und auch nicht die neue Kolonialisierung durch die Hintertür durch sog. Investoren wie China .Überbevölkerung und damit Geburtenregelung ist das eigentliche Problem Afrikas.

Und dieses Problem wird auch Europa immer mehr fordern.

Unser Abschied macht uns nachdenklich. Aber ich muss ja leider zurück, ich soll ja noch Frau Angela Merkel Grüße bestellen.

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